Negative Online-Bewertungen sind ein Albtraum für viele Unternehmen und Freiberufler. In der heutigen digitalen Welt, in der sich Kundenmeinungen blitzschnell verbreiten, können schlechte Bewertungen auf Plattformen wie Google, Kununu, Trustpilot oder Jameda erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen. Der erste Impuls ist oft, sich zu wehren und den Verfasser der Bewertung zur Rechenschaft zu ziehen. Die Erstattung einer Strafanzeige liegt da nahe. Doch ist dies wirklich der effektivste Weg, um gegen negative Bewertungen vorzugehen? Die Antwort ist komplexer als man denkt, und in den meisten Fällen lautet sie: Nein, eine Strafanzeige allein hilft nicht bei der Löschung einer negativen Bewertung.
Der Irrglaube der Strafanzeige als Allheilmittel
Viele Betroffene erhoffen sich von einer Strafanzeige eine schnelle Lösung. Sie gehen davon aus, dass die Polizei ermittelt, den Verfasser der Bewertung zur Rede stellt und die Bewertung infolgedessen gelöscht wird. Die Realität sieht jedoch anders aus.
- Fehlende Zuständigkeit für zivilrechtliche Ansprüche: Die Hauptaufgabe der Polizei und Staatsanwaltschaft ist die Verfolgung von Straftaten, wie z.B. Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung (§§ 185 ff. StGB). Die Löschung einer negativen Bewertung ist jedoch primär ein zivilrechtlicher Anspruch, der vor einem Zivilgericht geltend gemacht werden muss.
- Die Bewertung bleibt online, solange kein Gerichtsurteil vorliegt: Selbst wenn die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleitet, bedeutet dies nicht automatisch, dass die beanstandete Bewertung von der Plattform entfernt wird. Die Bewertung bleibt in der Regel online, bis ein Gericht im Zivilrechtsweg die Löschung anordnet. Dies kann dauern, und es ist keineswegs garantiert, dass es zu einer Löschung kommt.
- Hohe Hürden für eine Verurteilung: Selbst wenn es zu einer Anklage und einem Strafprozess kommt, ist es oft schwierig, den Verfasser der Bewertung zu verurteilen. Die Beweislast liegt bei der Staatsanwaltschaft, und es muss zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass die Bewertung unwahr ist und/oder den Tatbestand einer Straftat erfüllt.
- Der lange Weg der Strafjustiz: Strafverfahren können sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen. Dies liegt nicht nur an der Komplexität der Fälle, sondern auch an der hohen Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaften. In der Zwischenzeit bleibt die negative Bewertung online und schädigt weiterhin den Ruf des Unternehmens oder Freiberuflers.
Die alarmierende Realität: Überlastete Staatsanwaltschaften und lange Verfahrensdauern
Die Zahlen des Deutschen Richterbundes zeichnen ein düsteres Bild der deutschen Strafjustiz:
- Knapp 933.000 unerledigte Fälle: Im Jahr 2024 stapelten sich bei den Staatsanwaltschaften bundesweit fast eine Million unerledigte Fälle. Dies entspricht einem Anstieg von fast 30 Prozent gegenüber dem Jahr 2021.
- Längere Verfahrensdauern und weniger Anklagen: Die hohe Arbeitsbelastung führt dazu, dass Strafverfahren länger dauern und weniger Anklagen erhoben werden. Dies bedeutet, dass viele Straftaten nicht oder nur verzögert verfolgt werden können.
- Regionale Unterschiede: Besonders gravierend ist die Situation in Hamburg, wo sich die Zahl der unerledigten Fälle seit 2021 mehr als verdoppelt hat. Aber auch in anderen Bundesländern wie Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen ist die Belastung der Staatsanwaltschaften hoch.
- Freilassung von Tatverdächtigen aus der Untersuchungshaft: Aufgrund der langen Verfahrensdauern mussten Gerichte im Jahr 2024 bundesweit mehr als 60 dringend Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Strafjustiz am Limit arbeitet und dass eine Strafanzeige gegen den Verfasser einer negativen Bewertung oft in der Masse untergeht oder zumindest sehr lange bearbeitet wird.
Der effektive Weg: Zivilrechtliche Strategien zur Löschung negativer Bewertungen
Anstatt auf eine Strafanzeige als alleiniges Mittel zu setzen, sollten Unternehmen und Freiberufler sich auf die zivilrechtlichen Möglichkeiten konzentrieren, um gegen negative Bewertungen vorzugehen. Diese umfassen:
- Sorgfältige Prüfung der Bewertung: Ist die Bewertung tatsächlich rechtswidrig? Enthält sie unwahre Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen, Schmähkritik oder sonstige ehrverletzende Äußerungen? Verstößt sie gegen die Bewertungsrichtlinien der Plattform? Eine detaillierte Analyse der Bewertung ist der erste Schritt.
- Dokumentation und Beweissicherung: Sichern Sie die Bewertung als Beweismittel (z.B. durch Screenshots). Dokumentieren Sie alle relevanten Informationen, die die Unwahrheit oder Rechtswidrigkeit der Bewertung belegen.
- Kontaktaufnahme mit der Plattform: Fordern Sie die Plattformbetreiber (z.B. Google, Kununu, Trustpilot, Jameda) zur Löschung der Bewertung auf. Verweisen Sie auf die Rechtswidrigkeit der Bewertung und legen Sie die entsprechenden Beweise vor. Viele Plattformen bieten spezielle Meldeformulare oder -prozesse an.
- Anwaltliche Beratung und Vertretung: Beauftragen Sie einen Anwalt, idealerweise einen Fachanwalt für IT-Recht oder Reputationsrecht. Dieser kann die Rechtslage professionell beurteilen, die Plattform zur Löschung auffordern, eine Unterlassungserklärung vom Verfasser der Bewertung fordern und gegebenenfalls eine Klage vor Gericht einreichen.
- Abmahnung und Unterlassungserklärung: Der Anwalt kann den Verfasser der Bewertung abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Damit verpflichtet sich der Verfasser, die Bewertung nicht mehr zu verbreiten und Schadensersatz zu leisten.
- Eilverfahren (einstweilige Verfügung): In besonders dringenden Fällen, in denen eine Rufschädigung droht oder bereits eingetreten ist, kann ein Eilverfahren vor Gericht beantragt werden. Das Gericht kann dann im Wege einer einstweiligen Verfügung anordnen, dass die Bewertung sofort gelöscht wird.
- Klage auf Löschung und Schadensersatz: Wenn die Plattform oder der Verfasser der Bewertung sich weigern, die Bewertung zu löschen, kann Klage vor Gericht erhoben werden. Das Gericht entscheidet dann, ob die Bewertung rechtswidrig ist und gelöscht werden muss. Zudem kann Schadensersatz für den entstandenen Schaden geltend gemacht werden.
Die Rolle der Strafanzeige im Gesamtkonzept
Auch wenn die Strafanzeige in den meisten Fällen nicht der primäre Weg zur Löschung einer negativen Bewertung ist, kann sie in bestimmten Konstellationen dennoch sinnvoll sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn:
- Die Bewertung eine klare Straftat darstellt: Wenn die Bewertung beispielsweise eine Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung enthält und der Verfasser der Bewertung identifiziert werden kann, kann eine Strafanzeige dazu beitragen, den Täter zur Rechenschaft zu ziehen und ein Exempel zu statuieren.
- Die Strafanzeige als Druckmittel dient: In manchen Fällen kann die Erstattung einer Strafanzeige den Druck auf den Verfasser der Bewertung erhöhen und ihn dazu bewegen, die Bewertung freiwillig zu löschen.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Strafanzeige immer nur als Teil einer umfassenden Strategie betrachtet werden sollte und nicht als alleiniges Mittel zur Zielerreichung.
Fazit: Konzentration auf zivilrechtliche Maßnahmen und professionelle Beratung
Eine Strafanzeige gegen den Verfasser einer negativen Bewertung ist in den meisten Fällen nicht der effektivste Weg, um eine Löschung zu erreichen. Die Strafjustiz ist überlastet, und die Löschung von Bewertungen ist primär eine zivilrechtliche Angelegenheit. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf die zivilrechtlichen Möglichkeiten, um Ihre Rechte durchzusetzen und Ihren Ruf zu schützen. Die Beauftragung eines Anwalts, idealerweise eines Fachanwalts für IT-Recht oder Reputationsrecht, ist hierbei oft der schnellste, effektivste und nachhaltigste Weg zum Ziel. Er kann Ihnen helfen, eine individuelle Strategie zu entwickeln, die Ihre Interessen optimal berücksichtigt und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Löschung der negativen Bewertung maximiert.