Ein-Sterne-Bewertung nebst Kommentar „nicht empfehlenswert“ – OLG Stuttgart, Urteil vom 31.08.2022 – 4 U 17/22

Google Bewertung

Im Zeitalter der Digitalisierung sind Online-Bewertungen ein bedeutender Faktor, der das Bild eines Unternehmens, einer Marke oder einer Person im Internet prägt. Dies gilt insbesondere für Anwälte, deren Reputation oftmals auf Online-Bewertungen basiert. Ein kürzlich ergangenes Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil vom 31.08.2022 – 4 U 17/22) hat in diesem Zusammenhang wichtige rechtliche Implikationen [1].

OLG Stuttgart Urteil vom 31.08.2022 Der Sachverhalt

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand das Recht eines Anwalts, die Entfernung einer Ein-Stern Google-Bewertung von einer Gegenpartei zu beantragen. Die betreffende Bewertung wurde von einem Nutzer verfasst, der in einem rechtlichen Konflikt mit dem bewerteten Anwalt stand. Der Anwalt beantragte die Löschung dieser Bewertung [1].

„1-Sterne-Bewertung“ unter Klarnamen

Der Verfasser der Bewertung veröffentlichte die „1-Sterne-Bewertung“ unter seinem Klarnamen. Er vermerkte in der Bewertung den Kommentar „nicht empfehlenswert“ und bewertete die Professionalität des Rechtsanwalts als „kritisch“.

Der Verfasser der Bewertung war aber nicht Mandant des Anwalts gewesen, sondern war in einem Prozess vor dem Landgericht Stuttgart Beklagter. In diesem Verfahren vertrat der Anwalt die Klägerseite.

Abmahnung und Unterlassungserklärung

Vorgerichtlich hatte der Anwalt den Autor der Bewertung erfolglos aufgefordert, die Rezension zu löschen und eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Der Anwalt argumentierte, dass die Rezension in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreife. Die Bewertung sei geeignet, sein Bild in der Öffentlichkeit negativ zu beeinflussen. Außerdem gebe es keine Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien und damit auch keine Grundlage für eine Beurteilung.

In der I. Instanz hatte das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben. Das Landgericht verweist darauf, dass der Anwalt einen Anspruch auf Löschung der Rezension gem. §§ 1004 Abs. 1 (analog), 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1 Absatz 1, 2 Abs. 1 GG habe. Das Gericht stellte erstinstanzlich fest, dass die Rezension in das Persönlichkeitsrecht des Unternehmers eingreife. Die bewertende Person äußere sich kritisch und herabsetzend über die Kanzlei, und damit sei die Bewertung rechtswidrig.

Die Urteilsgründe OLG Stuttgart Urteil vom 31.08.2022

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in dem Urteil vom 31.08.2022 deutlich gemacht, dass der Anwalt gegenüber dem Autor der Rezension einen Anspruch gem. §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 (analog), 823 Abs. 1 BGB, Art. 12 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG auf Löschung der Erklärung hat. Die Erklärung und Veröffentlichung auf Google sind nach Auffassung des Oberlandesgerichts ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und stellen auch einen Eingriff in den sozialen Geltungsanspruch des Anwalts als Wirtschaftsunternehmen dar.

Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Die Erklärungen „nicht empfehlenswert“ und „kritisch: Professionalität“ in Verbindung mit der 1-Sterne-Bewertung sind ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Insoweit ist die wirtschaftliche Stellung eines Unternehmens vor unrichtigen Informationen und Wertungen geschützt. Insbesondere bestehe ein Schutz vor Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind. So werden Unternehmen davor bewahrt, dass andere Marktteilnehmer von Geschäften mit ihnen abgehalten werden. Deutlich weist das Oberlandesgericht darauf hin, dass mit der Bewertung der Autor dem Anwalt die Professionalität bei der Berufsausübung abspricht. Auch sei die 1-Sterne-Bewertung die denkbar schlechteste Note. Ergänzt mit dem Hinweis, dass die anwaltliche Tätigkeit nicht zu empfehlen sei, sind die Äußerungen geeignet, potenzielle Geschäftspartner von einem Geschäftskontakt abzuhalten.

Meinungsäußerung mit Tatsachenkern

Bemerkenswert sind die Ausführungen zu der Einordnung der Äußerungen als Meinungsäußerungen, die aber einen Tatsachenkern aufweisen. Bei Meinungsäußerungen wäre es so, dass diese nicht rechtlich angegriffen werden können. Das Oberlandesgericht weist darauf hin, dass eine Deutung nach dem objektiven Sinngehalt zu ermitteln sei. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen.

Abzustellen ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts auf das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Dabei ist der allgemeine Sprachgebrauch sowie der sprachliche Kontext bei der Deutung zu berücksichtigen. Auch sind Begleitumstände, unter denen die Veröffentlichung und Rezension erfolgt, zu bedenken, soweit diese für das Publikum erkennbar sind.

Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets im Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Hier wird vom Oberlandesgericht unter anderem auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.09.2016, Az. VI ZR 250/13, Rn. 12, verwiesen.

Deutungen von Äußerungen

Diese Deutung ist dann Grundlage für die Einordnung und Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil. Wie in der gerichtlichen Praxis bereits vielfach festgestellt, sind Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber sind Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt der Aussage geprägt.

Das Oberlandesgericht stellt ebenfalls klar, dass für die Einstufung der Tatsachenbehauptung entscheidend ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Zunächst stellt das Gericht fest, dass die Äußerungen „reine Werturteile“ seien. Allerdings enthalten diese einen sogenannten „Tatsachenkern“. Die Äußerungen verdeutlichen gegenüber den Lesern, dass es einen leistungsbezogenen bzw. mandatsbezogenen geschäftlichen Kontakt zwischen dem Anwalt und dem Autor gegeben hat, beispielsweise eine mündliche Vereinbarung eines ersten Beratungstermins oder eine schriftliche Anfrage.

Nicht darunter fällt jedoch ein Kontakt als Gegner im Rahmen eines Gerichtsverfahrens. Erfahrungen, die in einem solchen Zusammenhang gesammelt werden, sind keine leistungsbezogenen bzw. mandatsbezogenen geschäftlichen Kontakte. Ein durchschnittlicher Leser, der die Online-Bewertung zur Kenntnis nimmt, geht davon aus, dass die Bewertung in diesem Sinne einen leistungs- bzw. mandatsbezogenen geschäftlichen Kontakt als Grundlage hat.

Ein Prozessgegner kann keine belastbaren Aussagen über die Qualität einer anwaltlichen Tätigkeit machen. Insoweit ist es der bewertenden Person verwehrt, entsprechende negative Äußerungen über den Anwalt zu veröffentlichen.

Abgrenzend verweist das Oberlandesgericht auch darauf, dass es sich bei den gerügten Äußerungen nicht um eine Schmähkritik handelt. Allerdings genügt die Einordnung als Werturteil mit Tatsachenkern, um die Äußerung insgesamt rechtswidrig zu machen [2].

Die Bedeutung des Urteils OLG Stuttgart Urteil vom 31.08.2022 für die Praxis

Für die Praxis und den Umgang mit negativen Bewertungen wird nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts deutlich, dass eine genaue Textanalyse der jeweiligen Bewertungen erfolgen muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass die richtige Einordnung als Meinungsäußerung oder Werturteil oder als Tatsachenäußerung und Tatsachenbehauptung erfolgt. Davon ist abhängig, ob Bewertungen rechtswidrig sind. Schwierig ist in der Praxis immer wieder, wenn Bewertungen als Werturteile mit Tatsachenkern identifiziert werden. Hier kann es durchaus sehr unterschiedliche rechtliche Einordnungen und Auffassungen geben, wie ich aus verschiedenen Gerichtsverfahren weiß. In solchen Konstellationen lässt sich die Entscheidung eines Gerichts leider nicht immer gut vorhersagen.

In dem vorliegenden Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart und dem Urteil vom 31.08.2022 wurde dann die bewertende Person verpflichtet, die rechtswidrige Bewertung zu löschen. Auch musste die bewertende Person die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 263,50 Euro übernehmen und zahlen. Hinzukommen die Anwalts- und Gerichtskosten für die weitergehende gerichtliche Auseinandersetzung.

Auch vor diesem Aspekt sollten Autorinnen und Autoren einer negativen Bewertung für sich kaufmännisch prüfen, ob letztendlich eine gerichtliche Auseinandersetzung sinnvoll ist.

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Thomas Feil

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