Einleitung: Die Macht der Sterne und Worte
In der heutigen digitalen Arbeitswelt sind Arbeitgeberbewertungsplattformen wie Kununu, Glassdoor oder Indeed zu mächtigen Instrumenten geworden. Sie beeinflussen maßgeblich das Bild eines Unternehmens nach außen – das sogenannte Employer Branding. Potenzielle Bewerber informieren sich hier ebenso wie Kunden oder Geschäftspartner. Eine gute Durchschnittsnote und positive Kommentare können ein entscheidender Vorteil im „War for Talents“ sein, während negative oder gar falsche Bewertungen erheblichen Schaden anrichten können.
Ähnlich wie bei Produktbewertungen, die Kaufentscheidungen lenken, besteht auch bei Arbeitgeberbewertungen die Versuchung zur Manipulation. Sei es durch übertrieben positive Selbstdarstellungen oder gezielte Negativkampagnen. Doch wer trägt die Verantwortung, wenn auf diesen Plattformen unwahre Tatsachen behauptet, ehemalige Mitarbeiter diffamiert oder gezielt Falschinformationen gestreut werden? Dieser Beitrag beleuchtet die komplexe Rechtslage zur Haftung von Arbeitgeberbewertungsplattformen in Deutschland.
Warum Arbeitgeberbewertungen so wichtig (und heikel) sind
- Recruiting: Bewerber nutzen Portale intensiv, um Einblicke in die Unternehmenskultur, das Arbeitsklima und die Führungsqualität zu erhalten. Negative Bewertungen können Top-Talente abschrecken.
- Employer Branding: Das Image als Arbeitgeber ist ein wertvolles Gut. Authentische, positive Bewertungen stärken die Marke, negative schaden ihr nachhaltig.
- Mitarbeitermoral: Bestehende Mitarbeiter lesen ebenfalls Bewertungen. Ständige öffentliche Kritik kann die interne Stimmung belasten.
- Transparenz vs. Missbrauch: Grundsätzlich fördern die Portale Transparenz. Doch die Anonymität verleitet manche Nutzer dazu, ihrem Frust ungefiltert freien Lauf zu lassen oder gar Unwahrheiten zu verbreiten.
Der rechtliche Rahmen: Ein Balanceakt
Die Beurteilung der Haftung bewegt sich im Spannungsfeld verschiedener Grundrechte und Gesetze:
- Meinungsfreiheit (Art. 5 GG): Grundsätzlich darf jeder seine Meinung frei äußern, auch kritisch. Werturteile sind weitgehend geschützt, solange sie nicht zur reinen Schmähkritik verkommen.
- Unternehmenspersönlichkeitsrecht / Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb: Unternehmen haben ein Recht auf Schutz ihres Rufs und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit vor ungerechtfertigten Angriffen.
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Werden in Bewertungen einzelne Personen (z.B. Führungskräfte) namentlich genannt und herabgewürdigt, ist deren Persönlichkeitsrecht betroffen.
- Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG): Relevant insbesondere, wenn Unternehmen selbst Fake-Bewertungen (positive oder negative über Konkurrenten) in Auftrag geben oder nutzen.
- Strafgesetzbuch (StGB): Bei übler Nachrede (§ 186 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB) oder Beleidigung (§ 185 StGB) können Bewertungen auch strafrechtliche Konsequenzen haben.
Die Kernfrage: Wann haftet die Plattform?
Die entscheidende Weichenstellung für die Haftung einer Bewertungsplattform liegt in der Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Inhalten.
- Haftung für eigene Inhalte: Macht sich die Plattform eine Bewertung „zu eigen“, haftet sie dafür direkt und unmittelbar wie für selbst verfassten Inhalt. Das ist der Fall, wenn die Plattform nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung übernimmt oder den Anschein erweckt, sich mit der Aussage zu identifizieren (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.2020, Az. I ZR 193/18 im Kontext von Produktrezensionen).
- Spannender Sonderfall (OLG München): Das OLG München (Urt. v. 13.11.2018, Az. 18 U 1280/16 Pre) ging sogar noch weiter. Eine Plattform hatte einen Algorithmus eingesetzt, der angeblich manipulierte Bewertungen aussortieren sollte, aber über 95% der (oft positiven) Bewertungen für ein Fitnessstudio ausblendete. Die verbleibenden Bewertungen ergaben eine deutlich schlechtere Durchschnittsnote. Das Gericht wertete diese Art der Darstellung und Berechnung als eigene Aussage der Plattform, die ein verzerrtes Bild zeichnete und somit rechtswidrig war. Die Plattform haftete hier direkt, weil sie durch den Filter aktiv in die Darstellung eingriff und sich das Ergebnis zu eigen machte – auch wenn der Algorithmus vordergründig der Qualitätskontrolle dienen sollte. Dies zeigt: Sobald eine Plattform Inhalte nicht nur bereitstellt, sondern aktiv kuratiert, filtert oder gewichtet und dies zu einem irreführenden Ergebnis führt, steigt das Risiko der direkten Haftung.
- Haftung für fremde Inhalte: In der Regel sind die Bewertungen auf den Portalen aber „fremde Inhalte“, die von Nutzern eingestellt werden. Hier greift die sogenannte Störerhaftung. Die Plattform haftet nicht automatisch für jede rechtswidrige Bewertung, aber sie hat bestimmte Prüfpflichten. Diese Pflichten entstehen jedoch erst, wenn die Plattform Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt.
- Das „Notice-and-Take-Down“-Prinzip: Wird ein Unternehmen auf eine potenziell rechtswidrige Bewertung aufmerksam, muss es die Plattform darüber konkret informieren („Notice“). Es muss darlegen, warum die Bewertung rechtswidrig ist (z.B. unwahre Tatsachenbehauptung, Schmähkritik).
- Die Prüfpflicht der Plattform: Nach Erhalt einer solchen Rüge ist die Plattform verpflichtet, die Bewertung zu überprüfen. Sie darf sich nicht pauschal auf die Meinungsfreiheit berufen. Insbesondere bei anonymen Bewertungen sind die Anforderungen an die Prüfung hoch (vgl. LG Braunschweig, Urt. v. 28.11.2018 – 9 O 2616/17). Die Plattform muss den Verfasser der Bewertung kontaktieren und zur Stellungnahme auffordern. Gibt der Verfasser keine plausible Erklärung oder Belege für seine Behauptungen ab, muss die Plattform die Bewertung in der Regel löschen oder sperren („Take Down“). Sie darf sich nicht mit vagen Antworten zufriedengeben, sondern muss kritisch hinterfragen.
- Umfang der Prüfung: Die Plattform muss prüfen, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil handelt. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind in der Regel zu löschen. Bei Werturteilen ist die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik oder Beleidigung zu prüfen. Eine reine Meinungsäußerung, auch wenn sie hart ist, muss die Plattform meist stehen lassen.
Was ist eine „falsche“ oder rechtswidrige Bewertung im Arbeitgeberkontext?
Nicht jede negative Bewertung ist automatisch rechtswidrig. Kritik ist erlaubt. Problematisch wird es bei:
- Unwahren Tatsachenbehauptungen: Aussagen, die objektiv nachprüfbar falsch sind (z.B. „Gehalt wurde nie pünktlich gezahlt“, wenn dies nachweislich nicht stimmt; „Es gibt keine Weiterbildungsmöglichkeiten“, obwohl nachweislich Budgets und Programme existieren).
- Schmähkritik: Wenn nicht mehr die sachliche Auseinandersetzung, sondern die persönliche Diffamierung und Herabwürdigung im Vordergrund steht.
- Beleidigungen, üble Nachrede, Verleumdung: Strafrechtlich relevante Äußerungen.
- Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen: Preisgabe interner, vertraulicher Informationen.
- Bewertungen von Nicht-Mitarbeitern: Wenn jemand bewertet, der nie im Unternehmen gearbeitet hat (analog zur Rechtsprechung bei Fake-Produktbewertungen, z.B. LG München I, Urt. v. 14.11.2019, Az. 17 HK O 1734/19). Die Plattformen müssen (theoretisch, siehe UWG-Umsetzung) darüber informieren, ob und wie sie die Authentizität prüfen.
Was können betroffene Unternehmen tun?
Wenn Sie als Unternehmen eine rechtswidrige Bewertung entdecken:
- Dokumentation: Sichern Sie die Bewertung (Screenshot mit Datum und URL).
- Prüfung: Analysieren Sie genau, warum die Bewertung rechtswidrig ist (unwahre Tatsache? Schmähkritik?). Sammeln Sie ggf. Gegenbeweise.
- Meldung an die Plattform („Notice“): Nutzen Sie die Meldefunktion der Plattform oder schreiben Sie die Rechtsabteilung direkt an. Beschreiben Sie präzise die Bewertung und legen Sie detailliert dar, warum sie rechtswidrig ist. Setzen Sie eine angemessene Frist zur Prüfung und Löschung.
- Anwaltliche Unterstützung: Gerade bei komplexen Fällen oder wenn die Plattform nicht reagiert, ist anwaltliche Hilfe ratsam. Ein Anwalt kann den Sachverhalt rechtlich fundiert aufbereiten und den Druck auf die Plattform erhöhen (Abmahnung).
- Gerichtliche Schritte: Bleibt die Plattform untätig, können gerichtliche Schritte (einstweilige Verfügung, Klage auf Unterlassung und Löschung) eingeleitet werden.
- Vorsicht bei der direkten Konfrontation des Nutzers: Da Nutzer oft anonym sind, ist dies schwierig. Selbst wenn der Name bekannt ist, führt dies selten zur Löschung und kann die Situation eskalieren lassen. Der Weg über die Plattform ist meist effektiver.
Herausforderungen in der Praxis
- Anonymität: Die Identifizierung der Verfasser ist oft schwer bis unmöglich.
- Internationale Plattformen: Sitzt die Plattform im Ausland (wie im Fall des OLG München), kann die Rechtsdurchsetzung komplizierter sein (Zustellung von Schriftstücken, Anerkennung deutscher Urteile).
- Massen an Bewertungen: Plattformen stehen vor der Herausforderung, eine riesige Menge an Inhalten zu verwalten.
- Graubereich Meinungsäußerung: Die Abgrenzung zwischen zulässiger Kritik und unzulässiger Äußerung ist nicht immer einfach.
Exkurs: Haftung des Arbeitgebers selbst?
Auch Arbeitgeber können haften – nämlich dann, wenn sie selbst oder beauftragte Agenturen Fake-Bewertungen erstellen oder veröffentlichen, um das eigene Image künstlich zu verbessern. Dies stellt eine Irreführung dar und verstößt klar gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Solche Praktiken sind sogar auf der „Schwarzen Liste“ des UWG als per se unlauter aufgeführt und können zu Abmahnungen, Unterlassungsansprüchen und Schadensersatzforderungen von Mitbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden führen. Authentizität ist hier oberstes Gebot.
Fazit: Ein komplexes System mit klaren Regeln
Die Haftung von Arbeitgeberbewertungsplattformen ist klar geregelt: Sie haften nicht automatisch für jeden fremden Inhalt, aber sie müssen nach konkretem Hinweis auf eine Rechtsverletzung handeln (Störerhaftung via Notice-and-Take-Down). Greifen sie jedoch durch Filter oder Algorithmen so stark in die Darstellung ein, dass ein verzerrtes Bild entsteht, können sie sich die Inhalte „zu eigen machen“ und direkt haften.
Für Unternehmen bedeutet dies: Sie sind falschen oder diffamierenden Bewertungen nicht schutzlos ausgeliefert. Der Weg führt über eine präzise Meldung an die Plattform. Diese ist dann in der Pflicht, zu prüfen und gegebenenfalls zu löschen. Auch wenn die Durchsetzung manchmal mühsam sein kann, bieten die Gesetze und die etablierte Rechtsprechung wirksame Instrumente zum Schutz des Unternehmensrufs. Gleichzeitig müssen Unternehmen selbst auf Authentizität achten und dürfen nicht der Versuchung erliegen, das eigene Image durch gefälschte Bewertungen zu manipulieren. Nur so kann das System der Arbeitgeberbewertungen seine wichtige Funktion als (überwiegend) transparente Informationsquelle behalten.