Urteil des OLG Frankfurt: Löschung von Negativbewertungen ist (oft) Rechtsdienstleistung – und bleibt (nur) Anwälten vorbehalten

In der heutigen digitalen Welt sind Online-Bewertungen für Unternehmen, Freiberufler, Ärzte und andere Dienstleister wichtiger denn je. Eine einzige negative Bewertung kann wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen und den guten Ruf nachhaltig beeinträchtigen. Kein Wunder also, dass das Löschen oder Beanstanden von Negativbewertungen zu einem gefragten „Service“ geworden ist – und zahlreiche Anbieter am Markt mit dem Versprechen für mehr Reputation werben. Doch wer darf diese Leistungen überhaupt anbieten? Mit dieser Frage beschäftigt sich das aktuelle Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 7. November 2024 (Az. 6 U 90/24), das für Rechtsklarheit sorgt – und gravierende Folgen für die Praxis hat.

Kurzer Überblick: Was ist passiert?

Die Klägerin in dem Verfahren war kein Rechtsanwalt und auch nicht als Rechtsdienstleisterin registriert. Sie warb jedoch auf ihrer Website damit, im Auftrag von Kundinnen und Kunden negative Online-Bewertungen entfernen zu lassen – zum Beispiel auf Google, Jameda, Kununu und anderen Plattformen. Ein Rechtsanwalt, der selbst in diesem Bereich tätig ist, sah darin einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und beanstandete das Angebot wettbewerbsrechtlich. Nachdem die Klägerin sich weigerte, diese Dienstleistungen zu unterlassen, klagte sie – wollte also gerichtlich feststellen lassen, dass eben kein Unterlassungsanspruch besteht.

Vor dem Landgericht blieb sie erfolglos, das OLG Frankfurt bestätigte nun das erstinstanzliche Urteil und machte deutlich: Das Angebot, im Namen von Dritten negative Bewertungen löschen zu lassen, stellt regelmäßig eine unerlaubte Rechtsdienstleistung dar, sofern der Anbieter hierzu nicht befugt ist.

Wesentliche Entscheidungsgründe des OLG Frankfurt

1. Was ist eine Rechtsdienstleistung?

Das Rechtsdienstleistungsgesetz regelt, wer rechtliche Dienste im Zusammenhang mit fremden Angelegenheiten anbieten darf. Grundlegend dürfen Rechtsdienstleistungen – wozu nicht nur rechtliche Beratung, sondern auch die konkrete Einzelfallvertretung gehört – nur von zugelassenen Rechtsanwälten, Rechtsbeiständen oder besonders registrierten Personen bzw. Unternehmen erbracht werden (§ 2 Abs. 1 RDG). Das Gesetz dient dem Schutz der Rechtssuchenden vor nicht qualifizierter Beratung und sichert die Qualität rechtlicher Dienstleistungen.

2. Warum stellte das Angebot eine unzulässige Rechtsdienstleistung dar?

Nach Ansicht des Gerichts lag hier eine „Geschäftsbesorgung“ mit Rechtsbezug vor: Die Klägerin bot nicht lediglich eine technische Weiterleitung oder eine allgemeine Plattformnutzung an, sondern agierte aus Sicht der angesprochenen Kunden so, als prüfe und bearbeite sie individuelle Bewertungsfälle. Sie gab vor, (juristisch) zu beurteilen, ob für eine Bewertung ein ausreichender „Anknüpfungspunkt“ bestand (also etwa ein echter Kundenkontakt vorlag). Auch wenn sie objektiv nur ein „Standardschreiben“ an die Portale nutzte, konnte und durfte der Kunde den Eindruck gewinnen, es erfolge eine rechtliche Einzelprüfung. Das reicht für das Merkmal der Rechtsdienstleistung bereits aus!

3. Keine „Bagatelle“: Die Gefahr für Kunden

Das OLG machte deutlich, dass das Angebot solcher Dienste durch Nichtjuristen nicht nur einen Bagatellverstoß darstellt, sondern sehr wohl geeignet ist, die Interessen von Betroffenen zu gefährden. Bewertungsportale kontrollieren Löschungsanträge streng; häufig werden von Bewertenden Nachweise und rechtliche Argumentationen gefordert. Ohne rechtskundige Prüfung besteht das erhebliche Risiko, dass legitime Ansprüche übersehen oder unzureichend geltend gemacht werden.

4. Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch

Das OLG hielt fest, dass Wettbewerber – also vor allem Rechtsanwälte, die entsprechende Leistungen rechtmäßig anbieten – einen eigenen Anspruch auf Unterlassung aus § 8 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) haben. Das RDG ist eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG: Wer sie verletzt, handelt wettbewerbswidrig. Bereits das Angebot der Dienstleistung reicht für den Unterlassungsanspruch, völlig unabhängig davon, ob tatsächlich im Einzelfall eine rechtliche Prüfung oder Durchsetzung erfolgte.

Folgen für die Praxis – was sollten Unternehmen und Betroffene beachten?

a) Wer darf die Löschung von Bewertungen übernehmen?

Das Urteil stellt klar: Sobald ein Anbieter im Auftrag von Dritten tätig wird und dabei – auch nur scheinbar – eine rechtliche Prüfung vornimmt, handelt es sich um eine Rechtsdienstleistung. Diese dürfen grundsätzlich nur zugelassene Rechtsanwälte, Rechtsbeistände oder registrierte (z.B. Inkassodienstleister mit entsprechender Befugnis) übernehmen.

b) Was ist für Bewertungsplattformen, Agenturen & Co. erlaubt?

Dienstleister, die sich auf „Reputationsmanagement“ oder Bewertungslöschung spezialisiert haben, müssen sehr genau aufpassen: Technische Hilfestellungen (z.B. Hilfe beim Zugang zum Portal), Erstellung allgemeiner Leitfäden oder Hinweise sind zulässig. Die konkrete Übernahme der Löschungsanfrage inklusive der rechtlichen Argumentation im Namen des Kunden ist hingegen tabu – es sei denn, der Anbieter verfügt über die nötige Zulassung nach RDG.

Diese klare Grenze sollten gerade Agenturen, Mediafirmen und Start-Ups beachten: Schon der Marketingtext auf einer Webseite kann hier den Unterschied machen!

c) Was riskieren Unternehmen, die es dennoch anbieten?

Die rechtswidrige Erbringung oder Bewerbung von Rechtsdienstleistungen kann zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, gerichtlichen Unterlassungsansprüchen und gegebenenfalls Schadensersatzforderungen führen. Für die betroffenen Kunden besteht die Gefahr, im Ernstfall ohne wirksame rechtliche Unterstützung dazustehen oder gar eigene Rechte zu verlieren.

d) Für Betroffene: Worauf sollte ich bei Anbietern achten?

Wer professionelle Hilfe bei der Löschung von Negativbewertungen sucht, sollte gezielt auf die Zulassung des Anbieters achten und bevorzugt auf einen Fachanwalt für IT-Recht oder einen spezialisierten Rechtsanwalt setzen. Nur so lässt sich gewährleisten, dass die individuelle Fallprüfung und die Durchsetzung der Rechte rechtssicher erfolgen.

Fazit: Den guten Ruf sicher schützen – aber bitte rechtssicher!

Das Urteil des OLG Frankfurt a.M. unterstreicht eindrucksvoll, dass scheinbar „einfache“ Dienstleistungen wie das Angebot zur Löschung negativer Bewertungen im Internet häufig rechtliche Dienstleistungen sind – und damit Profis vorbehalten bleiben. Zwar ist der Wunsch nach Schutz vor Rufschädigung nachvollziehbar. Doch gerade im (digitalen) Reputationsmanagement gilt: Qualität, Vertrauen und Rechtssicherheit sind untrennbar verbunden.

Wer sich und sein Unternehmen vor ungerechtfertigten Bewertungen schützen will, sollte daher auf qualifizierte Beratung setzen. Als Fachanwalt für IT-Recht mit langjähriger Erfahrung unterstütze ich Sie gerne – individuell, lösungsorientiert und rechtssicher.

Haben Sie Fragen zum Umgang mit negativen Bewertungen im Internet? Kontaktieren Sie mich – gemeinsam entwickeln wir eine zielführende Strategie für Ihren guten Ruf!

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