Negative Online-Bewertungen können für Ärzte existenzbedrohend sein. Besonders problematisch sind dabei unbegründete oder gefälschte Bewertungen, die das Vertrauen potenzieller Patienten untergraben und den mühsam aufgebauten Ruf einer Praxis nachhaltig schädigen können. Mit seinem aktuellen Urteil vom 06.08.2024 (Az. 18 U 2631/24) hat das Oberlandesgericht München nun einen bedeutenden Schritt zum Schutz der ärztlichen Reputation unternommen und die Abwehr unberechtigter Kritik erheblich erleichtert.
Die anhaltende Problematik falscher Arztbewertungen im Jahr 2025
Auch im Jahr 2025 sehen sich viele Mediziner weiterhin mit dem Problem konfrontiert, dass sie auf Google Maps mit Bewertungen konfrontiert werden, die von Personen stammen, die nie in ihrer Behandlung waren. Diese Bewertungen können verschiedene Motivationen haben – von Wettbewerbern über persönliche Animositäten bis hin zu verwechselten Ärzten oder schlicht böswilligen Aktionen.
Die Folgen für betroffene Ärzte sind gravierend: Potenzielle Patienten orientieren sich zunehmend an Online-Bewertungen bei der Wahl ihres Arztes, und selbst wenige negative Rezensionen können das Gesamtbild einer ansonsten hervorragend bewerteten Praxis trüben. Der wirtschaftliche Schaden durch Patientenverlust und Reputationsschädigung kann beträchtlich sein.
Das bahnbrechende Urteil des OLG München im Detail
Der Sachverhalt: Ein Chirurg wehrt sich gegen falsche Anschuldigungen
Der dem Urteil zugrunde liegende Fall betraf einen Münchener Chirurgen mit Spezialisierung auf Nasenoperationen. Dieser wurde auf Google mit einer vernichtenden 1-Stern-Bewertung konfrontiert. Die Verfasserin behauptete, nach einem Nasenbruch von dem Arzt operiert worden zu sein, wobei das Ergebnis katastrophal ausgefallen sei: Eine zu große Nase, Entstellung, Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns sowie anhaltende Atemprobleme.
Der Chirurg bestritt jedoch entschieden, die vermeintliche Patientin jemals behandelt zu haben, und forderte von Google die Löschung der Bewertung. Als der Plattformbetreiber sich weigerte, aktiv zu werden, zog der Arzt vor Gericht – mit Erfolg.
Die Entscheidung: Neue Pflichten für Google bei bestrittenen Behandlungskontakten
Das OLG München stellte in seinem Urteil unmissverständlich klar, dass Google in solchen Fällen eine aktive Prüfpflicht trifft. Konkret bedeutet dies:
- Wenn ein Arzt glaubhaft bestreitet, den Verfasser einer Rezension jemals behandelt zu haben, ist Google verpflichtet, mit der bewertenden Person in Kontakt zu treten.
- Google muss von dem Bewertenden einen Nachweis für den behaupteten Behandlungskontakt anfordern.
- Kann oder will der Bewertende keinen solchen Nachweis erbringen, muss die betreffende Rezension unverzüglich gelöscht werden.
- Der betroffene Arzt ist dabei nicht verpflichtet, detailliert zu erklären, warum er den Verfasser nicht behandelt hat – das reine Bestreiten des Behandlungskontakts reicht aus, um die Prüfpflicht von Google auszulösen.
Das Gericht würdigte in seinem Urteil auch die vom Arzt vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen, die seine Aussage untermauerten. Zudem wies das OLG auf die Möglichkeit hin, dass die Bewertung sogar von einem Wettbewerber stammen könnte – eine Möglichkeit, der Google hätte nachgehen müssen.
Die rechtliche Einordnung des Urteils
Das Urteil des OLG München reiht sich in eine zunehmend ärztezufreundliche Rechtsprechung ein. So hatte bereits das OLG Karlsruhe die Position von Ärzten gestärkt, indem es feststellte, dass Google die Beweislast für das tatsächliche Vorliegen eines Arzt-Patienten-Kontakts trägt.
Die Münchener Entscheidung geht nun noch einen Schritt weiter und erleichtert den Prozess der Bewertungslöschung erheblich. Sie ist Ausdruck der juristischen Erkenntnis, dass bei Arztbewertungen besondere Sorgfalt angebracht ist, da hier ein erhebliches Schädigungspotenzial besteht und die berufsrechtliche Schweigepflicht es Ärzten erschwert, sich öffentlich gegen Vorwürfe zu verteidigen.
Besonders bemerkenswert ist, dass die Entscheidung die Prüfpflicht von Google konkretisiert und verschärft. Der Plattformbetreiber kann sich nicht mehr damit begnügen, passive Neutralität zu wahren, sondern muss bei bestrittenen Bewertungen aktiv werden und den Wahrheitsgehalt prüfen.
Praxistipps für Ärzte im Umgang mit unberechtigten Google-Bewertungen
Für Ärzte, die sich mit falschen oder unberechtigten Bewertungen konfrontiert sehen, ergeben sich aus dem Urteil wichtige Handlungsempfehlungen:
Dokumentieren Sie sorgfältig
Führen Sie eine genaue Patientendokumentation, die es Ihnen ermöglicht, schnell zu überprüfen, ob die bewertende Person tatsächlich in Ihrer Behandlung war. Dies ist der erste, entscheidende Schritt zur erfolgreichen Abwehr unberechtigter Kritik.
Bestreiten Sie falsche Behandlungskontakte eindeutig
Wenn Sie sicher sind, dass die bewertende Person nie Ihr Patient war, kommunizieren Sie dies unmissverständlich gegenüber Google. Eine klare, sachliche Ausführung erhöht Ihre Chancen auf schnelle Löschung.
Nutzen Sie eidesstattliche Versicherungen
Eine eidesstattliche Versicherung, die bestätigt, dass kein Behandlungskontakt stattgefunden hat, kann Ihre Position erheblich stärken. Das OLG München hat diesem Instrument in seinem Urteil besonderes Gewicht beigemessen.
Setzen Sie angemessene Fristen
Geben Sie Google eine angemessene, aber nicht zu lange Frist zur Prüfung und Löschung der Bewertung. Das OLG-Urteil spricht von einer „unverzüglichen“ Löschung nach erfolgloser Kontaktaufnahme mit dem Bewertenden.
Holen Sie professionelle Unterstützung
Die rechtliche Durchsetzung der Löschung falscher Bewertungen erfordert spezifisches Fachwissen. Ein auf Medizin- und IT-Recht spezialisierter Anwalt kann Sie effektiv unterstützen und die Erfolgsaussichten deutlich erhöhen.
Die größere Bedeutung für den Reputationsschutz im digitalen Zeitalter
Das Urteil des OLG München hat über den Einzelfall hinaus grundlegende Bedeutung für den Schutz der beruflichen Reputation im Internet. Es verdeutlicht einen wichtigen Grundsatz: Bewertungsplattformen tragen eine Mitverantwortung für die Richtigkeit der auf ihnen veröffentlichten Inhalte und können sich nicht hinter einer reinen Vermittlerrolle verstecken.
Diese Entwicklung ist besonders für Angehörige sensibler Berufsgruppen wie Ärzte, aber auch Rechtsanwälte oder andere Freiberufler von enormer Bedeutung. Sie alle sind auf ihr gutes Ansehen angewiesen und zugleich durch berufsrechtliche Schweigepflichten in ihrer Verteidigungsmöglichkeit eingeschränkt.
Die Entscheidung trägt zudem der Tatsache Rechnung, dass die Macht der Bewertungsportale in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist. Google-Rezensionen beeinflussen nicht nur unmittelbar die Entscheidung potenzieller Patienten, sondern wirken sich auch auf das Ranking in Suchergebnissen aus. Eine niedrige Bewertung kann somit doppelt schädlich sein.
Ausblick: Was bedeutet das Urteil für die Zukunft?
Das Urteil des OLG München könnte einen Wendepunkt in der juristischen Bewertung von Online-Rezensionen markieren. Es ist zu erwarten, dass andere Gerichte sich an dieser Entscheidung orientieren werden, was zu einer bundesweit einheitlicheren und ärztefreundlicheren Rechtsprechung führen könnte.
Für Bewertungsplattformen wie Google bedeutet dies, dass sie ihre Prüfmechanismen überdenken und möglicherweise verstärken müssen. Die bloße Bereitstellung einer technischen Infrastruktur reicht nicht mehr aus – eine aktive Qualitätssicherung wird zunehmend zur rechtlichen Pflicht.
Langfristig könnte dies zu einer allgemeinen Verbesserung der Bewertungskultur führen. Wenn falsche oder missbräuchliche Bewertungen konsequenter gelöscht werden, steigt die Verlässlichkeit der verbleibenden Rezensionen – wovon letztlich sowohl Ärzte als auch Patienten profitieren würden.
Fazit: Ein wichtiger Schritt für den Schutz ärztlicher Reputation
Das Urteil des OLG München vom 06.08.2024 markiert einen bedeutenden Fortschritt im Kampf gegen ungerechtfertigte Arztbewertungen. Es stärkt die Position der Ärzte erheblich und verpflichtet Google zu einer aktiven Prüfung bestrittener Behandlungskontakte.
Für betroffene Mediziner bedeutet dies eine deutliche Erleichterung bei der Abwehr falscher Bewertungen. Das bloße Bestreiten des Behandlungskontakts – idealerweise gestützt durch eine eidesstattliche Versicherung – reicht nun aus, um eine Prüfpflicht bei Google auszulösen.
Wenn auch Sie als Arzt oder Ärztin von unberechtigten negativen Google-Bewertungen betroffen sind, zögern Sie nicht, rechtliche Schritte zu unternehmen. Die aktuelle Rechtsprechung bietet Ihnen gute Chancen, Ihre Reputation effektiv zu schützen und Ihren guten Namen zu wahren.
Mit der richtigen Strategie und fachkundiger Unterstützung lassen sich unberechtigte Bewertungen erfolgreich bekämpfen – das OLG München hat hierfür nun den Weg geebnet.